12.03.2014

Wie erfährt man, was die Anwender wollen? Gastbeitrag von Bettina Hofmann (Fraunhofer SCS)

Fraunhofer SCS: Prozess-Netnographie und Lead-User-Ansatz.

Maschinenbauer und Overengineering
Maschinenbau-Ingenieure tendieren ja in der ihnen eigenen Begeiste­rungs­fähigkeit gerne mal dazu, übers Ziel hinauszuschießen, wenn es darum geht, ein neues Pro­dukt zu entwickeln. Möglichst perfekt soll sie sein, die neue Maschine, und alles können soll sie auch, klar.

Overengineering nennt man so was. Ein gutes Beispiel sind diese sagenhaften Smart­phones, mit denen man Dinge anstellen kann, von denen man keine Ahnung hat, und die man auch nie braucht. Da hab‘ ich schon mal den Eindruck, dass da munter am Kunden vorbei entwickelt wird. Vielleicht geht’s Ihnen ja so ähnlich.

Aber woher sollen die Entwickler eigentlich wissen, was die Kunden wirklich wollen? Bettina Hofmann von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS hat zu diesem Thema einen interessanten Beitrag geschrieben, den wir mit ihrer freundlichen Erlaubnis hier im Schleifblog bringen.

Netnographie und Lead-User-Ansatz
Bettina Hofmann, Fraunhofer SCS

Woher sollen Entwickler wissen, was Kunden wollen? Indem sie fragen. Ein großer Trend in Forschungsabteilungen ist, Nutzer frühzeitig in den Entwicklungsprozess von Technologien miteinzubinden. Denn damit können Technologen ihre Arbeit noch ge­ziel­ter auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten.

Was sich Technologen fragen, ist:
– Welche Herausforderungen bestehen, wenn die Kunden Technologien einsetzen?
– Wie lösen Kunden auftretende Anwendungsprobleme?
– Wie können Kundenerfahrungen in die Technologie einfließen?

Die Antworten finden sich in den neuen Medien
Mit der Kombination von Netnographie und Lead-User-Ansatz kommen nun zwei innovative Methoden aus dem Bereich der neuen Medien ins Spiel, die es ermög­li­chen, das Feedback der Kunden unmittelbar zu gewinnen. Bei der »Netnogra­phie« wird die Ethnographie, also das Beobachten von Verhalten in Gruppen, auf Internet-Communities übertragen. Beim Lead-User-Ansatz werden aus diesen Communities besonders motivierte Nutzer identifiziert und um Feedback gebeten.

Beide Methoden wurden bisher hauptsächlich bei Konsumenten (Anm. Endver­brau­cher im Consumer-Bereich) und weniger bei Unternehmen eingesetzt, obwohl sie auch im B2B-Bereich sinnvoll wären. So sind z.B. RFID-Anwendungen bislang hauptsächlich im unternehmerischen Umfeld zu finden. Hier wäre die Kombination der Beobachtung von Aussagen aus dem Unternehmensumfeld in virtuellen Commu­nities und die Informationsauswertung von Lead Usern ein neuartiger Ansatz der Informationsgewinnung.

Communities analysieren, Lead User befragen
Zunächst werden dafür relevante Online-Foren und -Communities ermittelt und die dort veröffentlichten Beiträge auf häufig genannte Themen und Begriffe analysiert. Um mehr über die Anforderungen der Nutzer zu erfahren, werden aus diesen Foren und Communities anschließend besonders aktive Nutzer als Lead User identifiziert und befragt. Um ein sinnvolles Feedback zu erhalten, müssen die zu Befragenden mit konkreten Fragestellungen angesprochen werden. Deshalb ist es äußerst wichtig, dass die Technologen vorab mögliche Anwendungsfelder ihrer neuen Technologie ermitteln, beispielsweise durch entsprechende Techno­lo­gie­bewer­tungen und Ziel­marktanalysen. Anschließend werden die Lead User um ihr Feedback zu den jeweiligen Herausforderungen und Anwendungsproblemen gebeten.

So werden aus Sicht der Anwender frühzeitig Probleme identifiziert, das Potenzial eruiert und zentrale Erkenntnisse für die (Weiter-)Entwicklung der Technologien gewonnen. Auf dieser Grundlage können die Entwickler dann die gewonnenen Informationen direkt in den Entwicklungsprozess miteinbeziehen und kundenfreundliche Lösungen anbieten.

Die Methoden
Bei »Netnographie« wird die Forschungsmethode der Ethnographie auf virtuelle Gemeinschaften (»Internet-Communities«) übertragen. Ziel ist es, Informationen durch die Verhaltensbeobachtung in Gruppen zu bestimmten Themen zu gewinnen (Kozinets, 1999). Bekannte Beispiele für Produkte, die mithilfe dieses Ansatzes entwickelt wurden, sind Nivea Black and White sowie The Coffee Shop Project.
»Lead User« zeichnen sich sowohl durch hohe Motivation als auch durch hohe Qualifikation aus und liefern wichtige Hinweise für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen (Lüthje/Herstatt, 2004; Henkel, 2006; Oreg/Nov, 2008). Bekannte Beispiele, in denen diese Nutzer selbst neue Produkte entwickelten, sind TipEx, Gatorade und im Bereich IT Linux und Apache (Lüthje/Herstatt, 2004).


Autorin: Bettina Hofmann, Gruppe Service-Entwicklung, Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, Nürnberg.

Wenn Sie mit Frau Hofmann oder mit mir über dieses Thema diskutieren möchten, freuen wir uns über Ihren Kommentar hier im Schleifblog. Sagen Sie uns, was Sie von einer Schleifmaschine im 21. Jahrhundert erwarten, und worauf Sie absolut keinen Wert legen. Wir bei Haas Schleifmaschinen wollen schließlich Schleifmaschinen und Schleifsoftware entwickeln, die Ihre Ansprüche erfüllen.

Sie können uns Ihre Meinung natürlich auch per E-Mail mitteilen. 

Und wenn Sie nächste Woche auf die GrindTec in Augsburg kommen (19. bis 22.3.2014, Messe Augsburg), freue ich mich über Ihren Besuch in Halle 7, Stand 7001.


Bis zum nächsten Mal und: Schleifen Sie gut!

Der Autor

Dirk Wember

Geschäftsführer

Dirk Wember ist begeisterter Flieger, passionierter Ingenieur und Geschäftsführer bei Adelbert Haas.

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