04.04.2024
AUTOMATION FOR THE PEOPLE!?
Auf unserer Rundreise zu den Champions unserer Schleiferbranche machen wir Halt im schönen Schwarzwald, bei dem Hightech-Maschinenbauer Adelbert Haas in Trossingen. Wenn man zwischen verschneiten Schwarzwaldtannen die moderne Fabrikation betritt, fühlt man sich wie in einem Zukunftslabor. Unsere beiden Gesprächspartner Marie-Sophie Maier und Dirk Wember empfangen uns nicht in einem Besprechungsraum, sondern in der netten Kaffee-Ecke direkt neben einer neuen Werkzeugschleifmaschine Multigrind® Radical.
Die neue Multigrind® Radical ist im Markt angekommen. Ihre intelligente Automation setzt neue Maßstäbe und darüber wollen wir uns mit den beiden Geschäftsführern von Adelbert Haas austauschen.
dima: Für Adelbert Haas ist 2024 ein Jahr voller spannender Ereignisse. Das erfolgreiche GrindDate im April, die Leitmesse GrindingHub im Mai und die neue vollautomatisierte Werkzeugschleifmaschine Multigrind® Radical. Auf welche Technologie-Highlights dürfen sich die Besucher noch freuen?
Marie-Sophie Maier: Auf der GrindingHub zeigen wir mit 6 Schleifmaschinen, wo gerade der Hammer hängt, wie man hier so schön sagt. Bei Adelbert Haas geht es aber nicht um Maschinen, sondern um innovative Schleifprozesse. Wir veranschaulichen die zwingenden Vorteile einer Serienfertigung im Closed Loop. Wir informieren, wie unsere Software ganz einfach im Hintergrund, sprich ohne großen Aufwand und Vorkenntnisse, beeindruckende Ergebnisse reproduziert.
Dirk Wember: Nicht zu vergessen unser Customer Care Center. Das stellt sicher, dass alles wie am Schnürchen läuft, und das zeigen wir live und in Real-Time. Aber lassen Sie uns doch heute über die Zukunft im Allgemeinen sprechen und die ist voll automatisiert.
Intelligente Automation: Wann, wenn nicht jetzt?
dima: Automation? Das Thema ist doch eigentlich ein alter Hut……..
Dirk Wember: Oh ja, aber wir sprechen von der Intelligent Automation, neuster Stand. Sie werden es nicht glauben, intelligente vollautomatisierte Produktionsprozesse sind in unserer Branche immer noch sehr selten anzutreffen. Die Early Adopters haben natürlich schon umgerüstet, aber nach meiner Einschätzung sind das in unserer Branche mit Schwerpunkt Europa bisher nur ca.5 %. Dazu gibt es noch ein paar völlig überholte Insellösungen, die längst nicht alle Möglichkeiten berücksichtigen.
Fast überall sehen wir heterogene Prozesse mit verschiedenen Systemen und Anwendungen. Die sind in der Regel nicht integriert und nur über die Schnittstelle „Mensch“ verbunden. Meistens wird nicht mal eine gemeinsame Datenbasis verwendet. Unsere Zukunftsvision von einer Intelligent Automation 4.0 haben wir in der Werkzeugschleifmaschine Multigrind® Radical verwirklicht. Damit sind wir, bis auf Ausnahmen, der Realität bei den Werkzeugschleifern um 10 Jahre voraus.
Marie-Sophie Maier: Wir stehen gerade an einer Sollbruchstelle. Die Unterschiede in der Wertschöpfung zwischen einer konventionellen Fertigungsstrategie und einer intelligenten Robotic Process Automation sind so signifikant, dass wir jetzt schon von Verlieren und Gewinnern sprechen könnten. Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob die neue Ära der Automation sich auf ein Unternehmen auswirken wird, sondern wann. Also wann, wenn nicht jetzt.
dima: Sehen Sie hier in Europa die internationale Spitzenposition der Branche in Gefahr?
Dirk Wember: Vor 20 Jahren war Offshoring eine Antwort auf die Globalisierung. Einige Kunden oder deren Auftraggeber hatten begonnen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Die Vorteile von Niedriglohnländern mit vielen Arbeitskräften waren verlockend. Jetzt beobachten wir eine Renaissance der Produktion vor der Haustüre. Eine Verlagerung der Produktion funktioniert in den allermeisten Fällen in unserer Hightech-Branche nicht. Deshalb haben wir schon vor 35 Jahren voll auf Digitalisierung gesetzt. Die eigene Multigrind® Software war die logische Konsequenz. Heute mal eine gute Nachricht, eine vollautomatisierte Just-in-Time Produktion vor Ort lohnt sich gewaltig. Heute überflügeln wir das Offshoring mit links. Wir sind produktiver, schneller, günstiger und vor allem viel präziser. Wir haben hier in Europa auch keine Alternative. Und jetzt die schlechte Nachricht: Diese Entwicklung bleibt auch in Asien nicht unbemerkt. Wir haben damals die Weichen für unseren heutigen Vorsprung in der intelligenten Automation gestellt und den kosten wir heute voll aus. Zur zeitlichen Einordnung: Ungefähr 10 Jahre später sagte Dr. Angela Merkel bei einer Pressekonferenz zum Besuch von Barack Obama diesen legendären Satz: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Und ganz ehrlich, sie hatte wieder einmal recht. Auch heute ist die Vernetzung von Maschinen über das Internet für viele Neuland. Wir sind nicht mehr in Schleifsteinzeit, wir brauchen einen CHANGE.
„Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren, haben Sie einen scheiß digitalen Prozess."
dima: Die Lösung sehen Sie in Trossingen in einer digitalen Transformation. Worin sehen Sie die größten Hindernisse?
Marie-Sophie Maier: Es gibt irrationale Vorbehalte und rationale Hindernisse, ich beginne mal mit den Hindernissen. Wir sehen in unserer täglichen Arbeit, dass nicht wenige fertigende Unternehmen versäumt haben, ihre Prozesse zu standardisieren und zu dokumentieren. Das ist zwingend notwendig, bevor ich automatisiere. Dazu fällt mir ein Lieblingszitat von Thorsten Dirks ein: „Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren, haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“ Es reicht also nicht sich eine Multigrind® Radical in die Produktionshalle zu stellen und zu erwarten, dass damit bereits die bevorstehende Zukunft Einzug hält. Das ist wie früher mit den Hausaufgaben, die müssen halt gemacht werden. Aber keine Angst, wir zeigen unseren Kunden wie es geht.
In diese Kiste haben wir all unser Wissen, unsere Erfahrung und unseren Glauben an die Werkzeugschleifer-Zukunft hineingesteckt. Voilà!
Der disruptive Wandel verlangt nach einem CHANGE!
dima: Jetzt bin ich gespannt, auf welche irrationalen Vorbehalte sie treffen. Denen zu begegnen ist ja oft viel schwieriger, weil sie weniger fassbar sind.
Marie-Sophie Maier: Also irrationalen Vorbehalten klingt erst mal als Bewertung ziemlich hart. Das sind Bedenken, die wir ernst nehmen und für die wir Antworten suchen. Wir sprechen bei der Intelligent Automation 4.0 ja von einem disruptiven Wandel und der unterscheidet sich von den kontinuierlichen Veränderungen natürlich kolossal. Das erfordert ja einen echten CHANGE. Die Branche denkt gerne in Maschinen, die sich von Generation zu Generation überschaubar weiterentwickeln. Im Werkzeugschleifen unterscheiden wir uns mit unserem Ansatz signifikant von der üblichen „Generation-zu -Generation“-Maschinen-Entwicklung. Bei uns kauft man keine Maschine, sondern einen automatisierten Zukunftsprozess, der alle Komponenten berücksichtigt.
Ausgehend vom Webshop des Kunden bis zum Versand. In dieser intelligenten Automatisierung sind bereits zukünftige Entwicklungen berücksichtigt und diese können in der Regel ohne großen Aufwand aufgespielt werden. In unserem Lösungspaket ist das Internet der Dinge, die Robotic Process Automation, die intelligenten Vernetzungsmöglichkeiten und der Einzug der künstlichen Intelligenz entweder Bestandteil oder schon vorgedacht. Weil wir schneller entwickeln als die Branche uns momentan folgen kann, ist es unsere vordringlichste Aufgabe alle Beteiligten auf die Reise mitzunehmen. Wir profitieren einerseits von den Anforderungen der Trendsetter, andererseits von den großartigen Innovationen unserer Entwicklungspartner. Die Kundenbeziehung wird so zu einer Partnerschaft Zukunft.
Dirk Wember: Dieser neue Fertigungsprozess schürt Ängste: Sind meine Daten sicher? Lohnt sich die Investition? Ist KI eine Gefahrenquelle und wo ist der Nutzen? Ist mein Unternehmen bereit für diesen CHANGE Prozess? Welche Qualifizierung bedeutet die Vernetzung von Mensch und Maschine? Was bedeutet das konkret für den Maschinenbediener? Wird sein Arbeitsplatz in Gefahr sein? Das sind natürlich Fragen, mit denen wir uns intensiv beschäftigt haben. Schon allein aus dem Grund, weil wir diese Fragen regelmäßig gestellt bekommen. Wir setzen uns intensiv mit diesen Vorbehalten auseinander, weil wir unsere Kunden ernst nehmen. Den Weg können wir nur gemeinsam gehen.
dima: Und wie begegnen Sie diesen Fragen?
Dirk Wember: Wir sprechen als Erstes über die Chancen, daraus ergibt sich ein gemeinsamer Fahrplan für den CHANGE. Wir sind mittendrin in dieser neuen Welt der Vernetzung von Menschen, Maschinen und Produkten. Es wird nicht mehr lange dauern, dann können wir uns mit unserer Werkzeugschleifmaschine unterhalten, wie mit einem persönlichen Assistenten, der ganz einfach ausführt, was wir ihm angetragen haben. Wir zeigen unseren Kunden, dass die Intelligent Automation 4.0 seinen gesamten Prozess in jeder einzelnen Stufe verbessert und vereinfacht. Die Arbeitskosten werden gesenkt, der Durchsatz erhöht, die Zuverlässigkeit steigt und die Qualität wird verbessert. Nicht nur ein bisschen, sondern erheblich. Und wenn wir anhand einfacher Rechenbeispiele verdeutlichen, wie schnell sich die Investition lohnt, sind viele Bedenken meist ausgeräumt. Die Welt ändert sich, ob es uns gefällt oder nicht. Entweder ich bin die Veränderung oder ich bleibe zurück.
Die Multigrind® Radical bildet das Herzstück der Intelligenten Automation 4.0. Die Technik-Peripherie wird passgenau im Gesamtprozess gesteuert. Über Multimation werden alle einzelnen Produktionsschritte verbunden, abgestimmt und gesteuert. Der Schleifprozess im Closed Loop sorgt für selbstreferentielle Optimierung. Das perfekte Werkzeug verlässt selbständig die Schleifmaschine und steht fertig verpackt zum Versand bereit. Der Nachfolgeauftrag ist zu diesem Zeitpunkt bereits in der Fertigung.
dima: Reicht es denn in diesem CHANGE Prozess die Chancen zu benennen, um den Vorbehalten zu begegnen?
Marie-Sophie Maier: Nein, natürlich nicht. Aber wenn wir unseren Prozess skizzieren, ergeben sich viele logische Antworten auf einzelne Fragen. Unsere Kunden behalten bei der Cloud Anwendung die Hoheit über ihre Daten, profitierten aber unmittelbar von der gesteigerten Produktivität. Auch der Maschinenbediener profitiert unmittelbar von der Automatisierung. Sein Arbeitsplatz ist nicht mehr an der Maschine. Wir versetzen ihn in die Lage von jedem beliebigen Ort über jedes Device gleich mehrere Maschinen zu steuern. Das empfinden viele Menschen als eine echte Befreiung. Die Qualität der Arbeit steigert sich erheblich und gleichzeitig wird sie einfacher und bequemer. Die Menschen werden sich ja nicht in Roboter verwandeln. Wir befreien die Menschen durch die intelligenten Robotic Process Automation von Routinetätigkeiten und Schichtarbeit. Diese Routinetätigkeiten führt zukünftig eine automatisierte Fertigungszelle in hoher Geschwindigkeit aus. Das bedeutet für den Maschinenbediener keinen zusätzlichen Stress, denn die Maschinensteuerung koordiniert ja den kompletten Prozess. Je mehr wir einfache Abläufe automatisieren, desto mehr Kraft werden wir für die wesentlichen Dinge freisetzen. Natürlich werden wir auch Arbeitsplätze an die Automation verlieren. Aber wir können nicht einerseits den großen Fachkräftemangel beklagen und dann die Lösungsstrategie verteufeln.
dima: Und wie steht es mit der künstlichen Intelligenz? Man kommt ja schon gar nicht hinterher mit den ganzen Innovationen.
Dirk Wember: Die Angst vor der künstlichen Intelligenz wird immer wieder angeheizt, denn ihre Einsatzmöglichkeiten sind für Viele noch eine Blackbox. Wir erproben bereits, wo wir die KI gewinnbringend einsetzen können, und an einigen Stellen funktioniert das prächtig. So zum Beispiel im Bereich Predictive Maintenance. Hier werden Zustandsdaten gewonnen, die durch eine entsprechende Verarbeitung Prognosen zulassen. Diese Prognosen wiederum bilden die Basis für eine bedarfsgerechte Wartung. Das reduziert ungeplante Ausfallzeiten, verbessert damit die Wirtschaftlichkeit und die Maschinenleistung. Denn Probleme können so schon vor dem Auftreten durch die Instandhaltung avisiert werden. Klingt ganz einfach, ist aber im Hinblick auf die riesigen Datenmengen, die in ganz unterschiedlichen Formaten vorliegen, alles andere als trivial. KI ist für mich das faszinierendste Werkzeug, das wir Menschen je erfunden haben. Dazu auch noch ein Zitat von Dave Waters, das die Situation perfekt beschreibt: „Ich weiß viel über künstliche Intelligenz, aber nicht so viel, wie sie über mich weiß.“ Aus diesem wertvollen Wissen können wir wichtige Erkenntnisse extrahieren. Natürlich müssen sowohl rechtliche als gesellschaftliche Korridore für diese Technologie geschaffen werden. Aber unser Job ist es, die KI sinnvoll in unsere zukünftige Arbeitswelt zu integrieren. Macht mir diese Entwicklung Angst? Nein! Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Die Zukunft war ja schon immer etwas, was wir Menschen toll fanden, wenn es Gegenwart geworden ist. Automation for the people, denn der Mensch ist für uns immer der Ausgangspunkt unserer Entwicklungen und auch das Ziel. Qualität ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer klaren Absicht, einer aufrichtigen Bemühung, einer intelligenten Leitung und geschickten Ausführung. Angetrieben von einem menschlichen Willen und die Maschinen helfen uns dabei. Auch das war wohl ein Zitat, ich weiß aber nicht mehr von wem.
dima: Ich bedanke mich recht herzlich bei Marie-Sophie Maier und Dirk Wember für die Gastfreundschaft und für das erhellende Gespräch.
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